Ehe ich mir eine Romanverfilmung ansehe, lese ich das Buch.
Warum? Wahrscheinlich weil es zuerst da war. Bislang habe ich das System nie
hinterfragt. Bei genauerer Betrachtung verhält sich allerdings Film zu Buch wie
Suppenhuhn zu Frühstücksei. Ohne Henne kein Ei, aber ich muss nicht unbedingt
Suppe schlürfen bevor ich mir morgens Rührei mache. Überhaupt ist die Legehenne
selten dasselbe Huhn, das später im Topf landet. Die beiden haben wenig
miteinander zu tun, haben verschiedene Zwecke und sind deshalb auch
unterschiedlich beschaffen. Das eine ist vielleicht fetter oder größer als das
andere, aber deshalb nicht per se das bessere Huhn. Bei Film und Buch verhält
es sich ähnlich. Das eine ist kompakt, das andere währt länger. Doch das liegt
am Medium und sagt nicht generell etwas über die Güte aus.
Das System indes stand bisher unveränderlich: erst Buch dann
Film. Nun hockt schon zwei Wochen vorwurfsvoll ein Leihei neben meinem
DVD-Player, weil ich es endlich abspielen und zurückschicken soll. Dabei habe
ich doch das Buch noch gar nicht durch. Da mir der Verleih diesen Monat noch zwei
weitere Eier zuschicken will, fühle ich mich reichlich unter Druck gesetzt. Da thront
das vorwurfsvolle Ding in der Warteschleife, während das Buch mir zugakelt,
dass es aber zuerst da war. So macht Lesen keinen Spaß, also habe ich mein
Vorgehen mal hinterfragt.
Warum nicht zuerst den Film gucken? Jetzt finde ich, das ist
sogar sinnvoll. Ein Plädoyer für Film vor Buch:
Ein Buch leistet vieles, was Film nicht kann. Er führt
Charaktere ausführlicher ein, begründet Handlungen, liefert
Hintergrundinformationen. Selbst wenn ich die Handlung kenne, profitiere ich
von der Lektüre auf vielfältige Weise.
Der Film hingegen lebt von der Spannung. Erklärt er zu viel,
wird er langweilig. Die Handlung steht im Fokus. Sie schon zu kennen, beeinflusst
den Unterhaltungswert hier also viel mehr als beim Leseerlebnis.
Da das Buch die Grundlage der Verfilmung ist, vergleichen
wir die Adaption automatisch mit dem Original. Filme, die sich haarklein an der
Erzählstruktur entlang hangeln, sind meist langatmig. Ist der Stoff aber gut an
das neue Medium angepasst, dann weicht er meist stark von der Narration ab.
Kenne ich das Buch schon, finde ich an der Verfilmung also immer etwas zu
mäkeln. Dabei hat sie das vielleicht gar nicht verdient. Andersherum kann ich
den Film als Film beurteilen und gewinne beim Lesen immer noch hinzu.
Der Druck ist weg. Morgen feiere ich mit Popcorn und einem
Glas Wein und Große(n) Erwartungen die neugewonnene Erkenntnis und überprüfe
meine Hypothese.