Sonntag, 12. April 2015

Film vor Buch


Ehe ich mir eine Romanverfilmung ansehe, lese ich das Buch. Warum? Wahrscheinlich weil es zuerst da war. Bislang habe ich das System nie hinterfragt. Bei genauerer Betrachtung verhält sich allerdings Film zu Buch wie Suppenhuhn zu Frühstücksei. Ohne Henne kein Ei, aber ich muss nicht unbedingt Suppe schlürfen bevor ich mir morgens Rührei mache. Überhaupt ist die Legehenne selten dasselbe Huhn, das später im Topf landet. Die beiden haben wenig miteinander zu tun, haben verschiedene Zwecke und sind deshalb auch unterschiedlich beschaffen. Das eine ist vielleicht fetter oder größer als das andere, aber deshalb nicht per se das bessere Huhn. Bei Film und Buch verhält es sich ähnlich. Das eine ist kompakt, das andere währt länger. Doch das liegt am Medium und sagt nicht generell etwas über die Güte aus.

Das System indes stand bisher unveränderlich: erst Buch dann Film. Nun hockt schon zwei Wochen vorwurfsvoll ein Leihei neben meinem DVD-Player, weil ich es endlich abspielen und zurückschicken soll. Dabei habe ich doch das Buch noch gar nicht durch. Da mir der Verleih diesen Monat noch zwei weitere Eier zuschicken will, fühle ich mich reichlich unter Druck gesetzt. Da thront das vorwurfsvolle Ding in der Warteschleife, während das Buch mir zugakelt, dass es aber zuerst da war. So macht Lesen keinen Spaß, also habe ich mein Vorgehen mal hinterfragt.

Warum nicht zuerst den Film gucken? Jetzt finde ich, das ist sogar sinnvoll. Ein Plädoyer für Film vor Buch:

Ein Buch leistet vieles, was Film nicht kann. Er führt Charaktere ausführlicher ein, begründet Handlungen, liefert Hintergrundinformationen. Selbst wenn ich die Handlung kenne, profitiere ich von der Lektüre auf vielfältige Weise.
Der Film hingegen lebt von der Spannung. Erklärt er zu viel, wird er langweilig. Die Handlung steht im Fokus. Sie schon zu kennen, beeinflusst den Unterhaltungswert hier also viel mehr als beim Leseerlebnis.

Da das Buch die Grundlage der Verfilmung ist, vergleichen wir die Adaption automatisch mit dem Original. Filme, die sich haarklein an der Erzählstruktur entlang hangeln, sind meist langatmig. Ist der Stoff aber gut an das neue Medium angepasst, dann weicht er meist stark von der Narration ab. Kenne ich das Buch schon, finde ich an der Verfilmung also immer etwas zu mäkeln. Dabei hat sie das vielleicht gar nicht verdient. Andersherum kann ich den Film als Film beurteilen und gewinne beim Lesen immer noch hinzu.

Der Druck ist weg. Morgen feiere ich mit Popcorn und einem Glas Wein und Große(n) Erwartungen die neugewonnene Erkenntnis und überprüfe meine Hypothese.




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